Ärzteserien kompakt – Teil 1: The Classics

von Patrick Tauber

Das Dilemma

Wir alle kennen es: Während wir Anwälten wie Harvey Specter oder Architekten wie Ted Mosby dabei zusehen, wie sie Geld machen oder nach der wahren Liebe suchen, betrachtet der Rest der Welt lieber schöne Ärzt*innen, wie sie ein Menschenleben nach dem anderen retten und sich nebenbei durchs Krankenhaus schlafen als gäb’s kein Morgen.

Die Beliebtheit von Krankenhausserien ist ungebrochen. Lediglich Mediziner*innen verschmähen dieses Genre und werden nicht müde, zu betonen, dass das alles nicht echt sei. Wer schockt auch bei einer Nulllinie, hm, Meredith Grey?!

Natürlich kann bei unserem Arbeitspensum von niemandem erwartet werden, dass er sich zusätzlich zur neuesten Folge von „You“ oder „Riverdale“ auch noch alte Folgen von Emergency Room reinzieht. Mediziner*innen sollten aber zumindest einen Überblick haben, was für Serien es gibt und wie diese zu bewerten sind (Stichwort: „Medical Humanities“). Daher folgt hier Teil 1 des ultimativen, abschließenden und absolut objektiven Ärzteserienguide. Film ab!

E.R. – Emergency Room: Die Notaufnahme

Emergency Room, im engl. Titel kurz E.R., ist der Klassiker der medizinischen Fernsehunterhaltung und das Vorbild für spätere Formate wie Grey’s Anatomy. Die Serie mit ihren 15 Staffeln und 331 Episoden lief, mit einer Unterbrechung, zwischen 1994 und 2009 im Fernsehen und basiert auf dem Buch „Five Patients“ des Erfolgsautors und Harvard Medical School Absolventen Michael Crichton (Jurassic Park).

Im Zentrum der Handlung steht die immer wieder wechselnde Belegschaft der Notaufnahme des fiktiven County General Hospitals in Chicago mit ihren beruflichen und privaten Schicksalen. Hier seien nur beispielhaft George Clooney als rebellischer Kinderarzt Dr. Ross und die aus Dr. Who bekannte Britin Alex Kingston als Chirurgin Dr. Corday erwähnt.

Was E.R. damals und heute so einzigartig und erfolgreich machte, war, dass die Serie den Alltag einer Notaufnahme realistisch und unverblümt darstellt und zudem durch ihre Geschwindigkeit und eine gewisse Hektik (permanentes Piepen der Apparate) die Zuschauer*innen mitreißt. Außerdem waren die Produzent*innen so sehr um Authentizität bemüht, dass amerikanische Professor*innen ihren Studierenden die Serie sogar zu Lernzwecken empfohlen haben sollen, weil man durch das alleinige Schauen mehr lernen könne als im praxisfernen Curriculum. Zusätzlich versuchten die Autor*innen stets, aktuelle Themen anzusprechen (HIV bei Health Care Workern, Genozid im Kongo, Afghanistankrieg, …).

Fazit: Top für alle Fans der Notfallmedizin, v.a. wegen der hohen medizinischen Akkuratheit, aber auch wegen des gelungenen Einfangens des Krankenhausfeelings trotz allen medizinischen Fortschritts und neuer Guidelines immer noch sehenswert. Auch Romantikfans (George Clooney) und Kampfsanis (Koniotomie mit Taschenmesser und Kugelschreiber!) kommen voll auf ihre Kosten. An dieser Stelle sei auch eine Triggerwarnung für alles ausgesprochen (Gewalt gegen Frauen, Männer, Kinder, …).

Story Telling: ++
Medical Action: +++
Medical Accuracy: +++
Fun Factor: +

Empfohlene Folgen:
6.13. Be Still My Heart, 6.14. All in the Family (Doppelfolge)
8.22 Lockdown (passend zu Corona)

Grey’s Anatomy: Die (jungen) Ärzte

Kaum zu glauben, dass Grey’s Anatomy (deutscher Untertitel: „Die jungen Ärzte“) auch schon wieder seit 16 Staffeln mit 359 Folgen läuft. Damit ist die Serie, mit der sich Produzentin und Entwicklerin Shonda Rhimes ein Fernsehimperium aufgebaut hat, die am längsten laufende amerikanische Ärzteserie im Hauptabendprogramm. Der Titel ist eine Anspielung auf das englische Anatomiebuch „Gray’s Anatomy“ von Henry Gray (1827-1861).

Im Zentrum steht die Ärztin Meredith Grey (Ellen Pompeo), die sich im fiktiven Seattle Grace Hospital (später Seattle Grace Mercy West, noch später Grey Sloan Memorial – ja, das ist ein Spoiler) ihrem KPJ und ihrer Assistenzarztzeit (engl. Internship und Residency) in der Chirurgie sowie vielen privaten Konflikten stellen muss. Dabei geht es die ersten Staffeln v.a. um die on-off-Beziehung der Titelheldin zum Neurochirurgen „McDreamy“ Dr. Derek Shepherd (Patrick Dempsey). (Der ursprünglich geplante Titel der Serie war „Complications“.) Begleitet wird Meredith zunächst von der beim Publikum beliebten, legendären Dr. Christina Yang (Sandra Oh), Dr. Isobel „Izzie“ Stevens (Kathrin Heigl), George O’Malley (T.R. Knight) und Alex Karev (Justin Chambers) sowie ihrer Lehrerin AÄ Dr. Bailey (Chandra Wilson) und Chefarzt Dr. Webber (James Pickens jun.). Da die Charaktere in Grey’s Anatomy, wenn sie nicht gerade in völlig unrealistischer Weise Bomben, Amokläufe und andere Katastrophen überleben, sterben wie die Fliegen, kommen jede Staffel neue Figuren dazu. Daneben haben viele bekannte Schauspieler*innen Gastauftritte als Patient*innen.

Grey’s Anatomy ist zwar medizinisch nur selten akkurat (Schocken bei Asystolie?!) und zeigt ein vollkommen unrealistisches Bild vom Alltag in der Chirurgie (Chirurgen machen gleichzeitig die Arbeit von Internist*innen und Stationsärzt*innen, sitzen auch mal im MRT, weil why not, und haben den ganzen Tag Zeit, sich um jeden Bereich des Lebens ihres aktuellen Lieblingspatienten zu kümmern, wenn sie nicht gerade heißen Sex im Bereitschaftsraum haben – und das bei selbst für amerikanische Verhältnisse unrealistisch lange Arbeitszeiten). Dennoch sollte man die Serie gerade aufgrund ihrer hohen Bedeutung in der Popkultur sowie des sehr guten Storytellings nicht leichtfertig verschmähen. Die Musicalfolge kann man zur Not ja überspringen. „It’s a beautiful day to save lifes. Let’s have some fun.” Hier gilt ebenfalls eine Triggerwarnung für alles, was man so triggern kann.

Story Telling: +++
Medical Action: ++
Medical Accuracy: +
Fun Factor: +

Empfohlene Folgen:
1.1 A Hard Day’s Night
3.16 Drowning on Dry Land, 3.17 Some Kind of Miracle (Doppelfolge)
6.23. Sanctuary, 6.24. Death and All His Friends (Doppelfolge)

Scrubs

Eine Aufzählung wäre nicht komplett ohne Scrubs. Die allseits beliebte Dramedy-Serie lief in neun Staffeln mit 182 Folgen von 2001 bis 2010 und handelt vom jungen Internisten John “J.D.” Dorian (Zach Braff), der gemeinsam mit seinen Kolleg*innen Elliot Reid (Sarah Chalke) und Christopher Turk (Donald Faison) das fiktive Sacred Heart Hospital unsicher macht. Dabei lernt er unter der Ägide des zynischen Oberarztes Dr. Percival Cox (John C. McGinley), den er trotz dessen zur Schau getragenen Abneigung gegen ihn, verehrt, und unter Chefarzt Dr. Robert Kelso (Ken Jenkins), dem prototypischen Krankenhauschef, dem es nur um das Krankenhausbudget geht. Weitere wichtige Charaktere sind Turks Freundin, die Krankenschwester Carla Espinosa (Judy Reyes), die sowohl in ihrer Beziehung als auch am Arbeitsplatz die Hosen anhat, und der Hausmeister (Neil Flynn), der J.D. ständig Streiche spielt.

Scrubs schaut man nicht wegen spannender medizinischer Fälle, sondern eindeutig wegen des Humors. J.D. hat eine blühende Phantasie und halluziniert, so dass singende Patient*innen und Ärzt*innen keine Seltenheit bleiben. Dabei schafft es die Serie, die Absurdität typischer Situationen im Krankenhaus meisterhaft zu destillieren.

Story Telling: +++
Medical Action: +
Medical Accuracy: +
Fun Factor: +++

Empfohlene Folge(n):
3.14 My Screwup

 

Du kennst eine Ärzteserie und willst sie oder eine bestimmte Folge davon reviewt haben?
Patrick schaut alles und freut sich immer über Tipps.

Abbildungen:

Titelbild: Photo by Cookie the Pom on Unsplash
Popcorn: Photo by Georgia Vagim on Unsplash

 

Ärzteserien Review – Teil 1: The Classics