Serie Ausbildung – Teil 2: Allgemeinmedizin

von Annika Sima

Nach der abgeschlossenen Basisausbildung eröffnen sich nun zwei Hauptpfade, die man einschlagen kann: Eine allgemeinmedizinische Ausbildung oder eine Fachrichtung. Wer sich gar nicht entscheiden kann, kann auch eines nach dem anderen machen. Hier fokussieren wir uns zuerst auf die ursprünglichste aller Ausbildungen – nämlich die allgemeinmedizinische.

Dauer und Arbeitszeiten

Überschlagsmäßig dauert’s bis zum_r Allgemeinmediziner_in nach Abschluss des Studiums mindestens 42 Monate, also ca. dreieinhalb Jahre: 9 Monate Basisausbildung, 27 Monate Turnus in verschiedenen Fachgebieten, am Ende noch 6 Monate Lehrpraxis und abschließend die Arztprüfung zur Allgemeinmedizin. Die Lehrpraxis wird übrigens demnächst verlängert und voraussichtlich ab dem 1.6.2022 9 Monate bzw. ab dem 1.6.2027 12 Monate dauern.

Die Kernausbildungszeit umfasst 35 Stunden pro Woche. 25 Wochenstunden davon müssen im Zeitraum von 7.00 bis 16.00 Uhr absolviert werden, zusätzliche Nacht-, Wochenend- oder Feiertagsdienste müssen entsprechend berücksichtigt werden. Allerdings kann alles auch in Teilzeit absolviert werden, wobei sich dann die Gesamtdauer der Ausbildung aliquot verlängert. Die Untergrenze für eine Teilzeitbeschäftigung in einer Krankenanstalt liegt bei 12 Wochenstunden, wobei hier zwei Drittel im Zeitraum von 7.00 bis 16.00 Uhr liegen müssen. Die Untergrenze der Teilzeitbeschäftigung in einer Lehr(gruppen)praxis sind 15 Wochenstunden. Von Turnusärzt_innen dürfen nicht zwei Teilzeit-Ausbildungen gleichzeitig absolviert werden. Inwiefern eine Teilzeit-Ausbildung jedoch möglich ist, ist mit den Dienstgebenden zu klären, die einen entsprechenden Teilzeit-Dienstvertrag zu genehmigen haben.

Es ist zumindest ein fachbezogener Nacht-, Wochenend- oder Feiertagsdienst pro Monat in einem Durchrechnungszeitraum von drei Monaten zu leisten. Dies gilt auch für eine Teilzeit-Ausbildung, wobei sich hier die Anzahl der Dienste und der Durchrechnungszeitraum aliquot verlängern.

Und: Die gesamte Ausbildung hat in Form eines Arbeitsverhältnisses zu erfolgen.

Ausbildungsinhalte

Im 27-monatigen Turnus strawanzt man durch verschiedene Fachrichtungen, um einen großgefächerten Eindruck zu erhalten. Von den 27 Monaten bestehen 21 aus den Pflichtfächern:  Innere Medizin (9 Monate), Kinder- und Jugendheilkunde (3 Monate), Frauenheilkunde und Geburtshilfe (3 Monate), Orthopädie und Traumatologie (3 Monate), sowie Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin (3 Monate).

Die restlichen 6 Monate des Turnus setzen sich aus 2 Wahlfächern zu je 3 Monaten zusammen, wählbar aus: Anästhesiologie und Intensivmedizin, Augenheilkunde und Optometrie, Hals-/Nasen-/Ohrenheilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Neurologie oder Urologie. Dabei gilt: Werden HNO und Derma nicht freiwillig gewählt, so müssen diese unbedingt in der Lehrpraxis behandelt werden.

Wem es vor dem Spitalsbetrieb graust, kann auch in Lehrpraxen einen Teil der Fächer absolvieren. Das umfasst die Kinder- und Jugendheilkunde, Orthopädie und Traumatologie, Psychiatrie sowie eines der Wahlfächer (außer Anästhesiologie und Intensivmedizin). Von den 27 Turnus-Monaten dürfen insgesamt höchstens 12 Monate in Lehrpraxen stattfinden.

Hat man den Turnus erfolgreich gemeistert, kommt man in die anschließende Lehr(gruppen)praxis. Dort ist man (zurzeit noch) 6 Monate in einer niedergelassenen Ordination für Allgemeinmedizin tätig, kann schon recht selbstständig arbeiten und man erhält trotzdem die Unterstützung, die man benötigt.

Zusätzliche Beschäftigung – Darf’s noch a bisserl mehr sein?

Neben Krankenhausmuffeln gibt es ja auch Krankenhausbegeisterte, die uuunbedingt weiter in Kliniken jobben möchten. Das ist neben der 6-monatigen Ausbildung in der Lehr(gruppen)praxis auch tatsächlich möglich! Dafür muss man lediglich in einer als Ausbildungsstätte anerkannten Krankenanstalt angestellt sein und kann z.B. Nacht- und Wochenenddienste annehmen.

Außerdem kann man im 27-monatigen Turnus selbst auch mehr machen, als verlangt wird, nämlich indem man gleichzeitig in zwei oder mehreren Abteilungen eingesetzt wird. Dafür gibt es wieder Richtlinien: So darf ein zusätzlicher Einsatz nur außerhalb der Kernausbildungszeit (also nach 16.00 Uhr) erfolgen, auch nur im Rahmen der Fertigkeiten der Basisausbildung. Man darf auf keiner abteilungsfremden Ambulanz eingeteilt sein (muss sich dort schon einigermaßen auskennen), es müssen überhaupt auch fachlich verantwortliche Ärzt_innen an den jeweiligen Abteilungen anwesend sein. Und es dürfen pro Turnusarzt_ärztin insgesamt maximal 60 Betten beim Einsatz auf zwei Abteilungen zu betreuen sein bzw. max. 45 Betten bei drei Abteilungen.

Fehlzeiten – Sechstelregelung

Auch wenn man noch so gerne in der Ausbildung unterwegs ist, so fehlt man vielleicht doch mal ebenso gerne für einen Erholungsurlaub oder aber mal doch nicht ganz freiwillig wegen eines Pflegeurlaubs, einer Erkrankung, einer Eltern-, Familienhospiz- oder Pflegekarenz oder eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots. Diese Fehlzeiten können auf die Ausbildungszeit angerechnet werden, dürfen dafür aber insgesamt nicht mehr als ein Sechstel der Ausbildungszeiten in den jeweiligen Fachgebieten betragen. Das heißt, bei Vollzeitbeschäftigung sind fünf Arbeitstage Fehlzeit pro Kalendermonat (30 Tage pro Monat, davon ein Sechstel = 5 Tage) erlaubt. Fehltage, die auf ein Wochenende oder einen Feiertag fallen, werden nicht ins Sechstel eingerechnet. Bei Teilzeitbeschäftigung erfolgt eine adäquate Berechnung der erlaubten Fehltage. Die Fehlzeiten werden getrennt für alle Ausbildungsabschnitte berechnet (Basisausbildung, jedes Fach im Rahmen der Allgemeinmedizinausbildung).

Zeitausgleich, Ersatzruhetage für Samstags-, Sonntags- und Feiertagsdienste sowie Fehlzeiten wegen einzuhaltender Ruhezeiten fallen nicht unter die Sechstelregelung und werden daher nicht als Fehlzeiten im Sinne der Ausbildung gewertet. Außerdem zählen fachliche Fortbildungen und Sonderurlaub für Fortbildungen als Ausbildungszeit.

Stehmonate und Wechsel der Ausbildungseinrichtung

Sofern nach der Ersteintragung ein Wechsel der Ausbildung erfolgt oder z.B. Stehmonate stattfinden, bleibt der_die Arzt_Ärztin in der Ärzteliste gemäß den allgemeinen Bestimmungen eingetragen, es kann auch ein Wechsel auf eine andere Ausbildungseinrichtung erfolgen.

Fortschrittsnachweise

Auch in der Ausbildung ist die Dokumentation unabdingbar. Dafür gibt es Rasterzeugnisse: In ihnen werden alle erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten (= Ausbildungsinhalte) für jedes Ausbildungsfach aufgelistet. Diese Zeugnisse werden mit der fertigen Absolvierung des jeweiligen Ausbildungsabschnittes ausgestellt – das heißt, eines nach dem Ende der Basisausbildung und je eines nach jedem beendeten Fachgebiet der allgemeinmedizinischen Ausbildung. Bevor ein Rasterzeugnis ausgestellt wird, muss ein fachlich auf die Ausbildung bezogenes Evaluierungsgespräch zwischen den Ausbildungsverantwortlichen und dem_der Turnusärzt_in geführt und dokumentiert werden.

Abschließend: Allgemeinmedizinische Arztprüfung

Zum krönenden Abschluss gibt es eine schriftliche Prüfung, nämlich die (noch immer nicht gegenderte) Arztprüfung, die von der Österreichischen Akademie der Ärzte abgehalten wird. Diese Prüfung ist die Voraussetzung, um Patient_innen behandeln zu dürfen und dient zur Qualitätssicherung, indem integratives Wissen im Alltag überprüft wird.

Vor dem Antritt ist eine (steuerlich absetzbare) Prüfungsgebühr zu entrichten, im Jahr 2021 beträgt sie für die Prüfung zur Allgemeinmedizin €650. Die Anmeldung findet über ein Formular bei der Ärztekammer des jeweiligen Bundeslandes statt, für Allgemeinmedizin muss man sich mindestens 5 Wochen im Voraus anmelden. Bei fristgerechter oder entschuldigter Abmeldung ist keine Zahlung notwendig. Zur Prüfung wird man dann zugelassen, wenn zum Zeitpunkt des Antrages mind. 30 Monate an praktischer Ausbildung vorhanden sind und die Urkunden der Rasterzeugnisse nachgewiesen werden können.

Für die Allgemeinmedizin gibt es mindestens 2 Prüfungstermine pro Jahr. Bei der Prüfung gilt: Nicht schummeln (wie so oft), die Bestehensgrenze wird durch die Ausschüsse festgesetzt, und es gibt 5 Antritte, wobei die letzte kommissionell stattfindet, also mündlich vor 3 Personen aus dem Ausschuss. Und ob du bestanden hast oder nicht siehst du per Post (altmodisch) oder E-Mail (modern) mit beigelegtem/angehängtem Zertifikat.

Nicht genug?

Wem die Ausbildung zur Allgemeinmedizin nicht reicht oder erst währenddessen auf den Geschmack einer Fachrichtung gekommen ist, kann nach der Allgemeinmedizinausbildung noch jede weitere Fachausbildung anhängen. Das Schöne: Die Basisausbildung wird dann angerechnet. Mehr zu Fachausbildungen in den nächsten Serien!

Links

Infos der Österreichischen Ärztekammer: https://www.aerztekammer.at/ausbildung-allgemeinmedizin 

ÄK Wien: https://www.aekwien.at/aeao-2015-ausbildung-zum-arzt-fuer-allgemeinmedizin 
Turnus beim KAV: https://www.turnus-wien.at/nach-dem-studium/allgemeinmedizin/

ÄK Niederösterreich: https://www.arztnoe.at/fuer-aerzte/angestellte-aerzte/aerzte-in-ausbildung/ausbildung-zur-aerztin/-zum-arzt-fuer-allgemeinmedizin 

Sowie siehe die Infos der ÄK der jeweiligen Bundesländer und Ausbildungseinrichtungen!

Einige Ausbildungseinrichtungen Wiens:

KAV:
https://www.turnus-wien.at/nach-dem-studium/allgemeinmedizin/
https://www.turnus-wien.at/nach-dem-studium/ausbildung-im-kav/

Barmherzige Brüder: https://www.barmherzige-brueder.at/portal/karriere/berufsinformation/medizinischeberufe/amausbildung

Vinzenzgruppe: https://www.vinzenzgruppe.at/doctorspoint/doctorspoint-wien/allgemeinmedizin/

Abbildungen

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Handy-Patch: Bild von Bruno /Germany auf Pixabay

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