10. Semester in (09/2016 - 12/2016)

Betreuung
5
Lehrveranstaltungen
0
Besuchte Stationen
4
Lebenshaltungskosten
1

Ich empfehle ....

... diese Region
Ja
... Auslandsaufenthalt
Ja

Weiteres zum Aufenthalt

Tertiale
HNO/Auge, Neurologie, und Gynäkologie

Wie würdest du die Gastuniversität beurteilen? Wie war die Betreuung vor Ort?

Die Chung Shan Medical University ist eine Medizinische Universität in Taichung, Taiwans drittgrößter Stadt. Das Medizinstudium in Taiwan dauert sieben Jahre, wovon die letzten drei Jahre gänzlich im Krankenhaus verbracht werden. Da ich meine Tertiale allein im Krankenhaus verbracht habe, kann ich die Universität selber und das Lehrangebot dort nicht besonders gut beurteilen. An jeder der Abteilungen an der ich war, gab es allerdings viele Studenten, die dort ihren praktischen Teil des Studiums absolvierten. Daher war auch im Krankenhaus das Lehrangebot für die Studenten sehr gut. Es war selbstverständlich, dass Studenten bei den Untersuchungen und der Visite dabei waren und die meisten Ärzte beantworteten Fragen geduldig und ausführlich. Je nach Abteilung gab es zusätzlich Seminare und Vorträge von Assistenz-, Ober- und Chefärzten. Diese wurden oft auch auf Englisch gehalten und ich habe dabei auch einiges gelernt. Die Lehre an der Universität bzw. am Universitätskrankenhaus würde ich als gut beurteilen, allerdings gab es durchaus auch Unterschiede zwischen den einzelnen Abteilungen. So fanden in der Frauenheilkunde nur wenige Seminare und Vorträge statt. Und wie auch bei uns kam es immer auf die einzelnen Ärzte an und wie motiviert sie waren den Studenten etwas zu erklären und zu zeigen. Was das Organisatorische und den Kontakt mit der Universität angeht, hatte ich gar keine Probleme.

Die Betreuung vor Ort war meiner Meinung nach sehr gut. An meine Kontaktperson, Albert Lin, konnte ich mich jederzeit wenden. Er hat auch organisiert, dass ich von einer Studentin bei meiner Ankunft am Wohnheim empfangen wurde und begleitete mich an meinem ersten Tag zunächst zum Studentenbüro und dann zu meiner ersten Abteilung. Auch sonst konnte ich mich jederzeit an ihn wenden, wenn ich irgendwelche Probleme hatte (was allerdings nicht allzu oft vorkam) und an meinem letzten Tag wurde ein kleines Abschiedslunch organisiert.

Wie würdest du das/die Gastkrankenhäuser und deine Tertiale beurteilen? Was waren deine Tätigkeitsbereiche?

Mein Gastkrankenhaus, das Chung Shan Medical University Hospital, ist ein relativ großes Haus, in dem alle Fachbereiche vertreten sind. Ich sehe meine Zeit dort im Allgemeinen sehr positiv, auch wenn ich vor allem aufgrund der Sprachbarriere nicht so gut eingebunden war wie die einheimischen Studenten. Wie in jedem Praktikum waren manche Tage interessanter und lehrreicher als andere, die vielleicht nicht ganz so spannend waren. Wie auch sonst kam es auch hier darauf an wie interessiert und engagiert man selbst ist.
Zuerst war ich auf einer neurologischen Station, wo es viele Schlaganfallpatienten gab, aber auch andere Patienten mit den unterschiedlichsten neurologischen Krankheitsbildern. Als Student war man bei der Visite und den Neuaufnahmen dabei und es gab mindestens dreimal pro Woche Seminare und Vorträge durch die Ärzte. Besonders die Erläuterungen des Chefarztes zu einzelnen Patienten oder Krankheitsbildern waren didaktisch sehr gut und aufschlussreich. Leider waren die Möglichkeiten zu praktischen Tätigkeiten eher beschränkt wodurch manchmal doch auch Langeweile aufkam.
In der Ambulanz der Augenheilkunde konnte man ebenso die unterschiedlichsten ophthalmologischen Krankheitsbilder, Untersuchungstechniken und therapeutischen Maßnahmen (auch Laser und Chirurgie) kennenlernen und beobachten. Da das Patientenaufkommen allerdings hier sehr hoch war, blieb für Erklärungen und Übersetzung seitens der Ärzte oft wenig Zeit.
In der Hals-Nasen-Ohren-Ambulanz gab es dieses Problem auch, auch wenn der Oberarzt immer wieder versuchte mir auf Englisch Erklärungen zu geben. Zudem konnte ich mir an einigen Tagen im OP ein gutes Bild über die wichtigsten Operationen in der HNO machen.
In der Gynäkologie war die Organisation und Lehre für die Studenten dagegen nicht ganz so gut. Ich konnte allerdings wenn ich wollte mit in die Sprechstunden der Oberärzte, die mir meistens auch viel erklärten. Je nach Interesse hat man aber auch dort die Gelegenheit die verschiedensten gynäkologischen Krankheitsbilder zu sehen, sowie bei natürlichen Geburten und Kaiserschnitten dabei zu sein.

Meine Tätigkeitsbereiche waren je nach Abteilung unterschiedlich, orientierten sich aber im Allgemeinen an denen der taiwanesischen Studenten. In der Neurologie waren nicht allzu viele praktische Tätigkeiten möglich, meist begleitete man die Ärzte auf Visite und zu Patientenaufnahmen und –untersuchungen. Mein Tertial in der Augenheilkunde fand in der Augenambulanz des Krankenhauses statt. Dort war ich entweder in den Patientensprechstunden dabei oder half bei den Medizinisch Technischen Assistenten aus und bediente die Geräte für die Augendruckmessung und die Sehstärkenbestimmung. Außerdem konnte man im OP bei beispielsweise Kataraktoperationen zusehen. In der HNO war ich ebenso entweder in der Ambulanz oder im OP. In der gynäkologischen Abteilung war ich entweder in der Ambulanz, dort konnte ich die Patientinnen auch selbst untersuchen, oder im OP, auf Station oder mit im Kreissaal. Je nach Interesse durfte man im OP auch assistieren. Im Übrigen waren meine Tätigkeiten allerdings auch oft auf Beobachtung beschränkt. Die sprachliche Barriere und Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit den Patienten waren hier sicher ein Faktor und manchmal doch auch etwas frustrierend.

Welche organisatorischen Hürden musstest du überwinden? War es einfach/gab es Probleme bei der Wohnungsfindung? Wie war deine Wohnsituation und Miete (WG, Wohnheim etc.)?

Mit einem österreichischen/deutschen Pass muss man für Taiwan kein Visum im Voraus beantragen. Bei Einreise erhält man eine Aufenthaltsgenehmigung für 90 Tage. Wie kompliziert es ist ein längeres Visum zu beatragen weiß ich nicht. Da ich danach noch ein paar Wochen dran gehängt habe zum Reisen, bin ich vor Ablauf der 90 Tage für eine Woche nach Japan geflogen. Bei einer erneuten Einreise erhält man dann weitere 90 Tage, die man bleiben kann. Die Uni benötigte bis drei Monate vor Beginn der Tertiale einige Bestätigungen von mir. Diese waren aber über die Uni in Wien und meinen Allgemeinarzt (Masernimpfbestätigung, Thoraxröntgen) problemlos zu organisieren.

Meine Kontaktperson an der Universität reservierte für mich ein Wohnheimszimmer direkt auf dem Campus der Uni und nur wenige Meter vom Krankenhaus entfernt. Ich hatte ein Einzelzimmer in einem Mädchenwohnheim mit eigenem Bad und den nötigsten Möbelstücken. Das Wohnheim ist sicher nicht das modernste, aber durch die Lage direkt am Krankenhaus und die Organisation durch die Gastuniversität sehr praktisch. Was mich mit der Zeit etwas gestört hat war die fehlende Küche und Kühlschrank. So musste man eigentlich immer auswärts etwas zu essen holen. Da es aber viele Restaurants und Essensstände in der Nähe gab, war das dann auch kein großes Problem.

Gab es sozio-kulturelle Besonderheiten (Essensgewohnheiten, Offenheit, Bürokratie, Arbeitsmoral, etc), gab es sprachliche Barrieren? Wurden vor Ort Sprachkurse angeboten?

Taiwan ist ein wahnsinnig spannendes Land mit einer interessanten Geschichte und einer immer noch politisch besonderen Stellung. Die Beziehung und die Konflikte mit der Volksrepublik China sind sehr oft Thema und es war wirklich interessant mit verschiedenen Leuten darüber zu reden und die verschiedenen Standpunkte zu hören.
Taiwan ist wie viele asiatische Länder menschenreich und die Geräuschpegel (auch beim Essen) und Menschenmengen können teilweise wirklich überwältigend sein und einem durchaus auch mal auf die Nerven gehen. Als nicht asiatische aussehende Person sticht man doch zum Teil aus Menge heraus (besonders in ländlichen Gegenden), woran ich mich auch erst einmal gewöhnen musste. Taichung selbst ist eine Millionenstadt und man findet dort wenn man möchte auch genug westliche Restaurants, Cafes und Geschäfte.
Ich muss aber wirklich sagen, dass ich selten so viele nette und hilfsbereite Menschen kennengelernt habe wie in den drei Monaten, die ich dort verbracht habe. Die taiwanesischen Studenten nehmen einen sehr herzlich auf und nehmen sich Zeit mit einem Essen zu gehen und die Stadt zu zeigen.

In Taiwan ist die Landessprache Mandarin. Voraussetzung um dort ein Tertial zu absolvieren ist allerdings nur Englisch und auch dafür muss kein Nachweis gebracht werden. Ich habe zwar einige Jahre chinesisch gelernt, trotzdem war es für mich vor allem hinsichtlich der medizinischen Fachsprache schwierig mich auf Chinesisch und damit vor allem mit den Patienten und der Pflege zu verständigen. Die Ärzte und anderen Studenten sprechen in der Regel sehr gut Englisch, auch wenn die Studenten teilweise etwas zurückhaltend und schüchtern beim Englischsprechen sind. In Taiwan ist es allerdings so, dass die Studenten mit englischen Lehrbüchern lernen und die Vorträge (auch im Krankenhaus) zwar auf Chinesisch gehalten werden, die Power Point jedoch immer auf Englisch geschrieben ist. Eine weitere tolle Sache war, dass die ärztliche Dokumentation, wie beispielsweise Aufnahmeberichte, an diesem Krankenhaus ebenfalls auf Englisch verfasst werden mussten. So konnte ich immer mal wieder am Computer über die einzelnen Patienten nachlesen.
Sonst kam es immer etwas auf den Arzt an und ob er bereit war Dinge auch auf Englisch zu erklären. Wenn dies nicht der Fall war, waren allerdings die taiwanesischen Studenten meist bereit ein bisschen für mich zu übersetzen.
Ich habe dort keinen Sprachkurs gemacht, so weit ich weiß werden an der Uni auch keine angeboten. Taichung ist allerdings eine große Stadt, in der auch viele Ausländer leben. So kann ich mir gut vorstellen, dass Interessierte sicher auch Chinesisch-Kurse finden.

Taiwan ist ein wirtschaftlich erfolgreiches und modernes Land. Trotzdem war mein Leben dort im Vergleich zu Wien in einiger Hinsicht doch deutlich günstiger. Besonders Essengehen und das Reisen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln hat vergleichsweise wenig gekostet. So kann man das Land sehr gut an den Wochenenden bereisen. Taipei ist beispielsweise eine tolle Stadt und mit dem Zug in nur zwei Stunden und für etwa 10€ pro Strecke zu erreichen. Am Günstigsten ist es mit Fernbussen zu reisen, die Straßen in Taiwan sind allerdings besonders am Wochenende sehr voll, so dass man für eine sonst kurze Strecke auch mal doppelt bis dreimal so lange brauchen kann.
Da Taiwan allerdings nicht direkt ums Eck liegt muss man doch einen höheren Betrag für den Flug mit einberechnen. Da ich recht unflexibel bei meinem Abflugdatum war habe ich 700€ hin- und zurückgezahlt. Wenn man etwas früher dran ist mit buchen und nicht am Wochenende fliegen muss, findet man bestimmt aber auch günstigere Flüge.

Welche Tipps/Überlebenstricks würdest du anderen Studierenden unbedingt mit auf den Weg geben? Was hat dir besonders gut/nicht so gut gefallen. Nutze diese Gelegenheit um besondere Dinge hervorzuheben!

Jedem der ein Praktikum in Taiwan macht würde ich ans Herz legen so viel wie möglich herumzureisen und zu sehen. Taiwan ist nicht groß und die öffentlichen Verkehrsmittel vergleichsweise günstig. Vor allem landschaftlich ist es ein beeindruckendes und sehr vielfältiges Land. Wenn man z.B. gerne wandern geht ist die Bergregion sehr zu empfehlen, im Süden gibt es dagegen tolle Strände.
Die taiwanesischen Studenten sind sehr sehr nett und aufgeschlossen und freuen sich ausländischen Studenten ihre Stadt und die Sehenswürdigkeiten in der Umgebung zu zeigen. Manche können etwas zurückhaltend beim Englischsprechen sein, die meisten sprechen aber sehr gut Englisch und haben mir in der Klinik mit Übersetzungen viel weiter geholfen.
Man sollte sich auch bewusst sein, dass Taiwan häufiger von Naturkatastrophen heimgesucht wird. Im Sommer sind dies Taifune und sonst gibt es sehr häufig Erdbeben. In meiner ersten Woche dort habe ich gleich ein großes Erdbeben miterlebt. Wenn man so etwas noch nicht erlebt hat, kann es einem schon einen Schreck einjagen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind aber sehr gut und die meisten Gebäude entsprechen den bauschriftlichen Vorgaben sodass selten etwas passiert.

Besonders gut haben mir in Taiwan die wirklich netten Menschen und ihre Hilfsbereitschaft gefallen, im Krankenhaus wie auch wenn ich sonst unterwegs war. Ich habe mich wirklich sehr willkommen gefühlt. Außerdem ist die Landschaft in Taiwan wirklich atemberaubend und gleichzeitig gibt es mit Taipei eine spannende Großstadt. Es lohnt sich wirklich auch dort ein paar Tage zu verbringen.
Auch wenn die Taiwanesen super nett waren, habe ich trotzdem manchmal auch bei einigen Themen die kulturellen Unterschiede gemerkt. So bin ich beispielsweise oft damit auf Unverständnis gestoßen, dass ich alleine reise und mir das auch wirklich Spaß macht. Das tausendmal erklären zu müssen, kann nach einer Weile doch etwas nerven.