Unsere moderne Adaption der Weihnachtsgeschichte

Mit den Ideen vom PubRef, geschrieben von Annika Sima

Vorwort

Folgende Geschichte ist reine Fiktion und auch als eine solche zu verstehen. Es soll damit kein Glauben, Bekenntnis oder Religion beleidigt werden. Des Weiteren sollen hier keine Kliniken, medizinische Einrichtungen, medizinisches Personal, Professor_innen oder dergleichen angegriffen werden. Also: Bitte hier nix allzu ernst nehmen.

Danksagung

Danke, dass ihr den Blog lest. Ohne euch würde das Schreiben von unseren Blogbeiträgen zwar immer noch so viel Spaß, aber viel weniger Sinn machen. Danke, dass ihr unserem Spaß auch noch einen Sinn gebt.

Kapitel 1: Die ersten Wehen

Es ist Dezember. Der 24. noch dazu. Die Gassen sind fast vollkommen leer, es hetzen nur noch einige wenige Last-Minute-Weihnachtseinkauf-Zombies durch die Straßen, um vielleicht ein Geschäft zu finden, das doch noch länger als bis 13 Uhr offen hat, die Masken unterhalb der Nasen montiert. Als Einstimmung auf einen ruhigen Abend beschließen unsere Protagonist_innen, die hochschwangere Maria und ihr Lebensabschnittspartner Josef, einen Stadtbummel zu unternehmen und sich an den geschmückten Hausfassaden und leeren Einkaufsstraßen zu erfreuen.

Eben wandern sie den verlassenen Naschmarkt entlang – als sich aus dem Nichts die erste Wehe spüren lässt. Zum Glück ist die nächste geschlossene Markthütte mit ihrem besprayten Rollladen nicht weit entfernt, an der sich Maria, überrascht von den plötzlich aufgetretenen ziehenden Schmerzen im Unterleib, keuchend anhalten kann. Ein wenig genervt rümpft sie die Nase, ob der Wehen oder des beißenden Uringestankes, der ihr eben entgegenschlägt, ist nicht auszumachen.
“… echt jetzt? Es hat doch geheißen, ich hätte erst in einer Woche Termin.”
“Oh, jetzt schon? … kann … kann ich dir helfen?”, fragt ihr betreten dabeistehender Partner, der mit der ungeplanten Situation ad hoc überfordert ist.
“Ja, die Rettung zu rufen wäre mal nicht verkehrt.” Die zischende Antwort erntet er als Resultat seiner anfänglichen Unbeholfenheit. Mit von der Kälte klammen Fingern tastet er nach seinem Mobiltelefon in den Hosentaschen vorne, hinten – in der Jackentasche rechts, links, innen, oben, unten – nur um festzustellen, dass er zwar über reichlich Taschentücher und Mundnasenschutzmasken verfügt, aber sein Smartphone offenbar am Ladekabel hängend zuhause vergessen habe. Dass Maria auch gerne ohne Handy außer Haus gehe, weiß er nur zu gut, weshalb er beunruhigt schluckt, um seiner durch die Hormone und ziehenden Schmerzen gereizten Gefährtin den Stand der Dinge zu erläutern. Nach einem kurzen Wortgefecht einigen sich die beiden, zusammen die nächstbeste Klinik aufzusuchen. Da sie die Gegend so gut kennen wie ihre Westentaschen, wissen sie von einem geistlichen Spital in der Nähe, das sie ansteuern wollen, und ziehen frohen Mutes los.

Kapitel 2: Die abenteuerliche Suche ob eines Kreißsaales

Anders als geplant verfügt diese Klinik über eine Vielzahl von Abteilungen, außer einer geburtshilflichen, wie sie an der Pforte erfahren müssen. Der Portier verzieht sein griesgrämiges Gesicht entnervt, als er ihnen mit delikatem Wiener Charme empfiehlt, in die naheliegende U3 zu steigen und an die Endstation zu fahren, da die dortige Klinik eine Abteilung für Gynäkologie hätte. Sie seien dort besser aufgehoben als hier, wo das ärztliche Personal so viel Ahnung von Gynäkologie und Geburtshilfe hätte, dass es unter einem Spiegel den von Morphinen im Blut verstünde und unter dem Durchlauf der diversen Stadien schlicht und einfach Tumorstaging [Anmerkung: Dieser Satz ist einem Euphemismus zum Opfer gefallen]. Etwas frustriert wenden sich unsere Protagonist_innen ab und zeppeln Schritt für Schritt zu der nächsten U-Bahn-Station.

Die erwähnte Klinik ist zum Glück nicht weit von der Endstation entfernt. So gelingt es den beiden, sich mit kurzen Pausen zum Veratmen von weiterschreitenden Wehen bis zur Triage vorzukämpfen. Am Weg bewundern sie das atemberaubend weitläufige Areal des Klinikums: Die mit Lichterketten annähernd weihnachtlich geschmückten Triage-Container. Die teils modernen, teils ursprünglichen Pavillons mit hell erleuchteten Fensterfronten. Die vielen Bäume, auf deren Kronen immer noch kein Schnee liegt. Zwischen den Pavillons und Baumreihen versucht ein einsamer Maroni-Verkäufer, am fortschreitenden Heiligen Abend vorbeihetzendem Krankenhauspersonal die ein oder andere geröstete Maroni zu stark überteuerten Preisen anzudrehen. Irgendwo in der Luft hört man einen nahenden Rettungshubschrauber.
In der Hoffnung auf einen Platz im warmen Kreißsaal weihen sie den überarbeiteten diplomierten Gesunden- und Krankenpfleger an der Registrierung in ihre missliche Lage ein. Dieser nickt, kratzt sich unter seiner Mundnasenschutzmaske am bärtigen Kinn, und durchsucht mit einem Mausklick die gynäkologische Abteilung nach leeren Betten. Als sich eine Falte zwischen seinen Augenbrauen bildet, blicken sich Maria und Josef sorgenvoll an.
“Es tut mir sehr leid, da ist nix mehr frei. Die Gyn ist voll von Corona-Babys und ihren Mamas, der Rest vom Krankenhaus ist von Corona-Intensivpatienten belegt. Es gibt ja noch viele andere Häuser, die gynäkologische Stationen haben, Sie schaffen das schon. Frohe Weihnachten und alles Gute.”
Er winkt sie hinaus, um sich einem Patienten zu widmen, der unter dem einen Arm eine abgetrennte Hand eingeklemmt hat und sich mit der anderen eine blutige Kompresse auf den entsprechenden Armstumpf drückt.
Dieses Szenario geht an Maria und Josef vorbei. Betrübt lassen die zwei die Container hinter sich. Da die beiden inzwischen einen leichten Hunger verspüren, halten sie beim Maroni-Stand an, gönnen sich eine Portion dieser dampfenden Köstlichkeit und kommen mit dem einsamen Verkäufer ins Gespräch. Dieser schwärmt von einer ganz, ganz tollen kleinen Klinik, mit der U3 und U6 vielleicht 20 Minuten entfernt, wo alle richtig lieb seien, immer Betten freistünden und man unglaublich herzlich und familiär betreut würde. Dort seien die Kinder seiner Schwester auf die Welt gebracht worden sein, er könne sie bloß weiterempfehlen. (Worauf er jedoch in seiner Erzählung vergisst, ist zu erwähnen, dass seine Schwester eine sehr erfolgreiche Zahnärztin mit super laufender Ordination sei.) Erleichtert, bald einen Platz zu finden, wo Kompetenz UND freie Betten garantiert seien, machen sich Maria und Josef auf die beschwerliche Reise.

Nach einigen Stationen mit der U3 und U6 steigen unsere Protagonist_innen erschöpft aus, um die empfohlene Klinik aufzusuchen. Die Freude ist gigantisch groß, als die prächtige Hausfassade in Sicht tritt, welche diese zauberhafte kleine Klinik beherbergen soll. Maria und Josef strahlen sich hoffnungsfroh an, als sie mit gefassten Händen möglichst eifrigen Schrittes auf das Ziel zusteuern. Die Eingangstür ist bescheiden schmal, aber sehr hübsch vergoldet. Dahinter breitet sich ein großes, edles Foyer aus, wo an einer marmornen Rezeption eine junge Dame in ihre Arbeit vertieft ist. Als Josef die Klingel drückt, blickt sie auf, streift sich geschmeidig einen zu ihrem Outfit passenden Mundnasenschutz über und betätigt einen Schalter mit Gegensprechanlage.
Eine zuckersüße Stimme säuselt “Bitte, wie kann ich Ihnen helfen?” aus dem gülden an der Seite der Türe eingelassenen Lautsprecher.
“Ich… ich brauche bitte ein Bett, ich bekommen jeden Moment mein Baby, die Wehen sind schon da und wir sind so lange umher geirrt…”
“Ach, selbstverständlich. Sie haben Glück, wir sind quasi ein Kompetenzzentrum für Schwangerschaft und Geburt. Treten Sie bitte ein!”
Lautlos schwingt die elektronisch gesteuerte Türe ins Innere der Eingangshalle. Die Augen der jungen Dame leuchten den beiden empathisch entgegen, als sie sich dem Empfang nähern. Sie nimmt sogleich deren Daten auf.
“Ja wunderbar, Betten haben wir noch zur Genüge – die sind natürlich alle Einzelzimmer”, lacht sie freundlich, während sie geschäftig in ihren neuwertigen Computer tippt. Dann blickt sie die beiden aufmunternd an. “Damit bräuchte ich bitte nur noch Ihre Versicherungsdaten.” Sogar durch die Maske kann man ihr übertrieben fröhliches Lächeln erahnen.
“Natürlich”, lächelt Josef unter seiner Maske zurück und zückt die eCard aus der Geldbörse.
“Sehr lieb, aber die benötige ich nicht”, säuselt die junge Dame, “ich meine viel eher, welcher Privatversicherung ich denn die entstehende Rechnung zukommen lassen darf, oder sind Sie Selbstzahler? Nachdem diese Klinik ja eine private ist, muss ich diesen Punkt erfragen.” Abwartend lächelt sie zwischen Maria und Josef hin und her.
Die beiden tauschen unterdessen überraschte, nervöse und verunsicherte Blicke aus. Schließlich räuspert sich Josef. “Die Sache ist die… wir verfügen leider über keine Privatversicherung, können uns aber gleichzeitig keine Privatklinik leisten…”
Eine zarte Falte kräuselt sich nun auf der Stirn der verwirrten jungen Dame. “Warum sind Sie dann bei uns?”
“Wir hatten gehofft, einen Platz für die Geburt zu finden.”
Die junge Dame schüttelt energisch ihren Kopf, dass die welligen Haare nur so um sie springen. “Tut mir leid, dann kann ich nichts weiter für Sie tun. In der Nähe befindet sich das größte Spital Wiens, dort wird hoffentlich auch ein Platz für Sie zur Verfügung gestellt werden. Ich bedauere diese Umstände zutiefst und wünsche Ihnen jedenfalls alles Liebe. Oh, und frohe Weihnachten!”
Lautlos öffnet sich die elektronische Tür. Eine eindeutige Aufforderung, die Klinik zu verlassen.

Niedergeschlagen und hoffnungsfrei ziehen die beiden ihre Masken vor der Klinik ab. Hinter ihnen fällt die Tür mit einem kaum hörbaren Klick ins goldene Schloss. Sie blicken sich unschlüssig an, als sie sich auf den Weg zu dem erwähnten Krankenhaus bahnen. Eine halbe Stunde später reihen sie sich in das Einschleusesystem vor den gigantischen Pforten des riesigen Betonkomplexes bei der Schlange für “Patient_innen ohne schriftlichen Termin” ein. Da wenige Patient_innen vor ihnen stehen, sind sie bald dran. Das Einschleusepersonal fragt sie nach Krankheitssymptomen und ob sie einen telefonischen Termin vereinbart hätten: “Nein, leider, das ging so spontan.”
Mürrisch winkt der Security die beiden daraufhin zur Rezeption weiter, wo von dem dortigen aushelfenden Administrator allerdings eine ähnliche Antwort folgt, wie in den anderen Häusern: “Es tut mir leid, die Betten sind schon fast alle voll, die einigen wenige freien sind für eintrudelnde Corona-Patientinnen und Patienten reserviert. Außerdem haben wir sowieso einen verstärkten Personalmangel wegen der Weihnachtsfeiertage.” Der junge Mann fährt sich mit einer hilflosen Geste durch die Haare. “Ich sehe leider keine Möglichkeit, Sie irgendwie aufnehmen zu können, auch wenn ich es wollte. Selbst die Notfallambulanz ist aufgrund eines eben eingetroffenen Notfalles im Schockraum beschäftigt. Es tut mir leid, am besten gehen Sie nach Hause und rufen eine Hebamme.”
Betrübt senken die beiden ihre Blicke. Als sie sich umwenden, trommelt jedoch der aushelfende Administrator auf den Tisch.
“Warten Sie, mir fällt etwas ein. Ich kenne wen, der Ihnen helfen kann. Ich telefoniere kurz und schicke Ihnen dann Unterstützung hinterher.”

Kapitel 3: Die Geburt

Sparen wir uns die Details der weiteren mühsamen Reise, die nun noch vom AKH bis in die Vorklinik an der Schwarzspanierstraße führt. Jedenfalls werden unsere Protagonist_innen zum Vorklinikkammerl der ÖH MedWien geschickt, wo ein einzelner fleißiger ÖH-Mitarbeiter noch spätabends den Eiskasten abtaut und verständigt wurde, dass eine Erstgebärende wohl gleich das Sofa im Aufenthaltsraum in Anspruch nehmen würde. Prophylaktisch hat er seine Abtauarbeit unterbrochen um die noch fertigzustellenden Plakate in diverse Schränke zu stopfen und die Computer mit ihren Tischen an die Wände zu schieben, um ausreichend Platz für eine Geburt zu schaffen. Als er gerade auf Amboss die geburtshilflichen Handgriffe überfliegt, klopft es bereits an der Türe. Mit zusammengebissenen Zähnen kämpft sich die Hochschwangere zum Sofa vor, kippt darauf und der Geburtsprozess läuft dahin.

Mitten drinnen dröhnt ein Trommelwirbel an der Türe.
“Wo ist das Kind? Wo ist die Mutter? Wir wollen zu ihnen, wir müssen sie sehen!“
Der schweißgebadete ÖHli wischt sich mit dem Oberarm die nassen Haare aus der Stirn und öffnet die Türe zu vier Personen: Einer Assistenzärztin für Gynäkologie und einem Assistenzarzt für Pädiatrie, beide mit je einem_r dazugehörigen KPJ-Student_in. Die junge Gynäkologin in Ausbildung stürmt zur Geburt, um sie noch am Schluss zu unterstützen, der junge Pädiater nimmt das Neugeborene sogleich entgegen, erhebt den APGAR-Score und schickt die Pädiatrie-KPJ-Studentin mit der BGA aus der Nabelschnur im Laufschritt zurück ins AKH. Der KPJ-Student von der Gyn betrachtet vorerst das Geschehen stumm und ist erleichtert, ohne Scherereien davon gekommen zu sein, als ihm die Gynäkologin anbietet, den Dammriss nähen zu dürfen (was er freudig annimmt) und ihn danach dazu verdonnert, die Sauerei aufzuwischen. Die beiden Ärzt_innen in Ausbildung verlassen danach die Vorklinik, da sie angepagert werden, sie würden dringend auf den Stationen gebraucht. Maria bekommt von alledem wenig mit, da sie ihr Neugeborenes glücklich in den Armen hält. Josef bekommt ebenfalls wenig mit, da er zwischendurch eine vasovagale Synkope erlitten hat und von dem ÖH-Mitarbeiter mit hochgelagerten Beinen und einem Zuckerwürfel aus der Kaffeemaschine erstversorgt wird.

Kapitel 4: Die Gaben der drei Weisen aus der Vorklinik

Von dem ganzen Trubel aufgeschreckt strecken drei Professoren ihre Köpfe aus den Türen der Institute der Anatomie, Pharmakologie und Histologie in den Hof der Vorkliniken. Als der zurückgelassene Gyn-KPJler an ihnen vorbeischlurft, fragen sie nach, was denn los sei und warum das bewegungsmeldersensitive Licht über der VKK-Tür ständig so hell leuchte?
“Da war eine Geburt, deshalb”, grummelt er im Vorbeigehen und wischt sich seine schmutzigen Hände am Scrubs ab.
Der schrullige Histologe, der furchteinflößende Pharmakologe und der vielgebildete Anatom wechseln die Blicke und verschwinden schnell wieder in ihren Instituten, um mit Mundnasenschutzmasken wieder herauszutreten.

Als erster erscheint der gut organisierte Professor der Anatomie wieder. In seinen Händen hält er einen frischen, verpackten weißen Mantel, auf dem ein unberührtes Döschen mit Spezial-Wachs thront. Er schreitet nüchtern auf den Eingang des Kammerls zu. Sobald er die junge Mutter mit ihrem Kind erblickt wandert sein Blick wie üblich zu Boden.
“Ich darf Ihnen ganz aufrichtig zu Ihrem Kinde gratulieren, gnädige Frau. Ich kann mir gut vorstellen, dass eine Geburt unter diesen Umständen besondere Herausforderungen darstellt, weshalb ich mir in meiner Bescheidenheit erlaube Ihnen mit diesen Geschenken die Situation zu erleichtern. Dieser ungetragene Mantel eignet sich nun hervorragend als Windelwerk, und später vielleicht auch als tatsächlich aktiver Kittel in der höheren Ausbildung. Und dieses Wachs hier ist geruchsbindend und hautpflegend zugleich, es ist sowohl auf den bloßen Händen im Seziersaal als auch auf dem pflegebedürftigen Gesäß eines Neugeborenen angebracht, kann ich aus eigener Erfahrung mit meinen beiden Kindern bestätigen. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Partner mit dem Kind alles Gute und vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder im Hörsaal.” Er tritt zurück, um dem nächsten Platz zu schaffen.

Folglich tritt der einschüchternd wirkende Pharmakologe mit seiner sarkastisch polternden Stimme und klackernden Schuhen vor die Mutter.
“Rührende Gaben von meinem Herrn Kollegen sind das. Aber für Sie, fast schon eine Erzherzogin von Österreich, dass Sie es zustande gebracht haben, HIER ein Kind zu gebären, habe ich etwas viel Passenderes parat.” In einer ausladenden Bewegung zielt er mit seiner rechten Hand unter die linke Seite seines grauen Jacketts, um einen dicken Wälzer von gut 400 Seiten hervorzuzaubern und es der jungen Mutter in die Hand zu drücken. “Sie werden sich nun fragen, was dies ist. Nun denn, gute Dame, dies ist das Werk der Schöpfung, die Vollendung in sich und die Perfektion sondergleichen … die neueste der neuen Neuauflagen meines eigens geschriebenen Pharmakologiebuches. Mit Fehlerfind-Garantie: Finden Sie nun nach dieser Überarbeitung einen Fehler, bekommen Sie eine Ersatzleistung gutgeschrieben. Na, was sagen Sie dazu?”
Als er den entgeisterten Blick Marias sieht, die das Buch teilnahmslos in den Händen hält, schnappt er danach. “Natürlich, deshalb sind Sie sprachlos. Wie ungehobelt von mir.” Er zückt einen Kugelschreiber aus seiner Brusttasche und kritzelt wie wild auf die Innenseite des aufgeschlagenen Buchdeckels los. “Nun mit Widmung, hier bitte, extra für das Kleine.” In einer Bewegung reicht er das Buch zurück, beugt sich zum Kind hinab und stupst dessen Nase an. “10 Seiten pro Stunde ist dann mal das Ziel, mein Freundchen.” Er richtet sich wieder auf. “Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute. Man sieht sich immer zweimal im Leben.” Auf seinem klackernden Absatz dreht sich der Pharmakologe wild um und verlässt den Raum.

Der schlaksige ältere Histologe fährt sich mit einer Hand verlegen über den grauen Haarkranz oberhalb seiner Ohren, als er vor Maria steht. In der einen Hand hält er eine zierliche Schere, in der anderen Hand einen kleinen Behälter mit Fixierlösung.
“Ich komme mir nun ganz dumm und kleinlich vor”, lächelt der Mann verschmitzt (was man auch unter seiner Maske sieht), “denn ich habe kein Geschenk per se vorbereitet, sondern bin gekommen, um mir ein bisschen von der Chorda umbilicalis -äh- Nabelschnur zu stibitzen… Sie müssen wissen, die Nabelschnur als histologisches Präparat anzufertigen und zu mikroskopieren macht immensen Spaß, besonders, wenn man den Studierenden den Unterschied zwischen einer Nabelarterie und –vene erklären kann… Außerdem, ich möchte vielleicht sehr fantastisch klingen, aber vielleicht ist Ihr Kind ja einst in der Situation, ein Stückchen Nabelschnur histologisch beurteilen zu müssen und dann freut es sich darüber, wenn ausreichend Präparate in guter Färbequalität vorhanden sind, zumeist des Öfteren manche zu Bruch gehen.” Der ältere Herr schmunzelt. “Und zusätzlich wünsche ich Ihnen, Ihrem Partner und dem Kind das beste Wohlergehen und auf dass das nächste Jahr besser werde.” Glücklich verlässt der Histologe wippenden Schrittes die junge Familie mit einem Stückchen Nabelschnur in seiner Fixierlösung.

Kapitel 5: Afterparty

Vollkommen fertig von den Ereignissen des Tages fällt dem ÖHli ein, dass er den Kühlschrank noch fertig abtauen müsse und ruft ein Taxi, um Maria, Josef und das Baby nachhause fahren zu lassen. Maria ist nun bereits beinahe eingeschlafen, das Baby liegt in den Mantel gewickelt an ihrer Brust und trinkt.

Währenddessen hat sich Josef halbwegs von seiner Synkope erholt und ärgert sich über eine lästige Druckstelle am Hintern, die beim Liegen und Beinehochlagern sehr unangenehm gewesen war. Genervt tastet er nach dem Gegenstand seines Ärgernisses – und seine Augen weiten sich vor Schreck. Ein nervöser Blick in Richtung Marias zeigt ihm, dass sie bereits erschöpft schläft. Josef atmet durch. Ob er ihr wohl jemals erzählen wird, dass sein Mobiltelefon doch in der hinteren linken Hosentasche zwischen zwei Taschentuchpackerln versteckt gewesen war?

Epilog

Warum unsere Protagonist_innen nicht zu Beginn der Wehen umgekehrt sind, um von daheim die Rettung zu rufen, sei dahingestellt. Manchmal ziehen Personen in brenzligen Situationen schwierig nachvollziehbare Entscheidungen. Aber es sei ihnen verziehen, denn sonst wäre diese Geschichte wohl niemals entstanden.

In diesem Sinne wünschen wir euch frohe Weihnachten, erholsame Festtage, bleibt gesund und unserem Blog erhalten! Alles Liebe, euer PubRef <3

Abbildungen

Titelbild: Bild von Bella Flodén auf Pixabay
U-Bahn Wien: Bild von Matthias Poczesniok auf Pixabay
Merry Christmas: Bild von Frauke Riether auf Pixabay

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